Die Opfer des Inzests by Schweighoffer Nathalie

Die Opfer des Inzests by Schweighoffer Nathalie

Autor:Schweighoffer, Nathalie [Schweighoffer, Nathalie]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Mein Exil zu organisieren dauerte einige Wochen. In dieser Zeit sprach mein Vater kein Wort mit mir. Er wich meinen anklagenden Blicken aus. Meine Mutter schien sich ebenso unwohl zu fühlen.

Was mich betraf, so dachte und träumte ich nicht mehr. Ein Bild hatte sich mit unauslöschlich eingebrannt: mein Vater, der nackt vor mir stand, einen Ledergürtel in der Hand.

Als alles für meine Abschiebung bereit war, brachten meine Eltern und meine Großmutter mich im Wagen in eine benachbarte Stadt. Während der Fahrt sagte niemand ein Wort. Ich begriff, daß wir am Ziel waren, als wir an hohen Mauern entlangfuhren. Eine schwarzgekleidete Frau öffnete die beiden Flügel eines verrosteten Tores. Sie führte uns zum Büro der Oberin.

Der Haupteingang dieses schloßartigen Bauwerks war prunkvoll und schön. Ich war beeindruckt und eingeschüchtert von der monumentalen Steintreppe und den Fenstern mit den schmiedeeisernen Baikonen. Im Inneren überwog dann letztere Empfindung. Mir lief es kalt den Rücken hinunter, als wir durch den hohen Flur mit den grauen Wänden gingen.

Meine Eltern wurden in das Büro gebracht, während meiner Großmutter aufgetragen wurde, mich zu beaufsichtigen.

Die Unterhaltung zog sich in die Länge. Natürlich! Meine Eltern mußten lang und breit die Verfehlungen ihrer unwürdigen Tochter berichten. Zweifellos beruhigte sie die Mutter Oberin, indem sie die Vorzüge ihrer Institution hervorhob. Was kümmerte es mich? Würde ich hier ungestört lernen und lesen können? Das war alles, was mich interessierte. Aber wie auch immer, das eine war ziemlich sicher: Ich würde nicht das Recht haben, mich zu beklagen.

Die Tür öffnete sich, und eine Stimme befahl: ›Treten Sie ein, Mademoiselle!‹

Ich fand mich in einem riesigen Raum wieder. Nur ein einsames Kruzifix schmückte die beigefarbenen Wände. Die Mutter Oberin stand vor dem Kreuz. Sie hielt sich sehr gerade und wirkte trotz ihres kleinen Wuchses imposant. Auf leisen Sohlen schlich ich zu ihr hin. Ich begriff gleich, warum sie mir angst machte: Sie war robust gebaut, eckig, und ihr zerfurchtes Gesicht schien zehntausend Jahre nicht mehr gelächelt zu haben.

Mein Vater, meine Mutter und meine Großmutter, die steif und die Füße dicht beisammen um ihren Schreibtisch herumsaßen, würdigten mich keines Blickes.

Ich sah mich nach einem freien Stuhl um, als die Schwester mich anfuhr:

›Mademoiselle, Sie sollten gleich wissen, daß Sie aufzustehen haben, wenn die Mutter Oberin das Wort an Sie richtet. Haben Sie das verstanden?‹

Ich saß doch nicht einmal!

›Also, fahren wir fort. Sie sind hier, um zu lernen und zu beten. Hierbei rate ich Ihnen, niemals die goldenen Regeln zu vergessen. Sie sind sehr einfach zu verstehen und zu behalten: keine Zigaretten, kein Alkohol, keine Jungen, kein Ausgang, kein Gequatsche, keine Streitigkeiten.‹

Ich hörte schon vor Ende der »Kein«-Litanei nicht mehr zu. Als sie fertig war, schloß sie mit den Worten: ›Sie schlafen im Schlafsaal A3. Schwester Hélène wird Sie hinbringen.‹

Schwester Hélène war das genaue Gegenteil der Mutter Oberin: jung und trotz des Schleiers sehr hübsch. Sie schenkte mir einen sanften, aufmunternden Blick. Zweifellos war ihr die Begrüßungsrede vertraut.

Während wir das Labyrinth durchquerten, das zum Schlafsaal führte, versuchte sie, mir das Kloster positiv zu beschreiben:

›Die Klassenzimmer sind sehr sonnig, du wirst sehen.



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